Die Haushaltsdebatte in der Deutschsprachigen Gemeinschaft wurde vor allem über ihren Ton verhandelt. Lautstärke, Ordnungsrufe und Zwischenrufe dominierten die Berichterstattung, während Inhalte in den Hintergrund traten. Dabei zeigt sich ein strukturelles Problem moderner Politik, leise, sachliche Arbeit verliert in einer auf Zuspitzung getrimmten Öffentlichkeit an Sichtbarkeit.
Macht der Ton die Musik?
Die Berichterstattung zur Haushaltsdebatte im Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft hat sich in dieser Woche auffällig stark auf den Ton der Auseinandersetzung konzentriert. Wer hat gepoltert, wer dazwischen gerufen, wer Ordnungsrufe kassiert. Weniger Aufmerksamkeit bekamen die Inhalte selbst.
Dabei wurde, nüchtern betrachtet, ziemlich ausgewogen gepoltert. Ordnungsrufe gegen die Opposition, Zwischenrufe von der Regierungsbank. Politisches Ritual, nichts Neues. Und doch blieb bei der medialen Nachbereitung vor allem der Eindruck eines parlamentarischen Schlagabtauschs hängen, nicht die Frage, was eigentlich verhandelt wurde.
Fabienne Colling hat dieses Missverhältnis auf Facebook sehr treffend beschrieben. Ja, Zuspitzung und Streit erzeugen Aufmerksamkeit. Das ist keine neue Erkenntnis. Aber Politik erschöpft sich nicht in Lautstärke. Gerade in einer Haushaltsdebatte geht es um Alternativen, um Prioritäten, um langfristige Wirkungen. Darum, wie gespart werden kann, ohne Menschen zusätzlich zu belasten. Darum, wie Prävention Kosten senkt, nicht morgen, sondern über Jahre. Darum, wo Strukturreformen notwendig sind, auch wenn sie unpopulär oder komplex sind. Und darum, wie Projekte so angelegt werden können, dass sie mehrere Ziele gleichzeitig verfolgen.
All das lässt sich schwer polternd vermitteln.
Hier zeigt sich ein strukturelles Problem politischer Öffentlichkeit. Aufmerksamkeit folgt heute nicht in erster Linie der Substanz, sondern der Zuspitzung. Lautstärke wird belohnt, Differenzierung bestraft. Wer laut ist, wird zitiert. Wer erklärt, verschwindet schneller aus der Wahrnehmung. Das gilt nicht nur für soziale Medien, sondern zunehmend auch für klassische politische Berichterstattung.
Gerade für Parteien und Abgeordnete, die Politik als Arbeit verstehen und nicht als Dauerperformance, ist das ein Dilemma. Leise Politik ist selten spektakulär. Sie ist mühsam, langsam und oft undankbar. Sie besteht aus Nachfragen, Bohren, Dranbleiben, aus dem Versuch, andere Wege aufzuzeigen, auch wenn diese nicht in eine Schlagzeile passen. Doch genau diese Form von Politik ist es, die langfristig trägt.
Dass Fabienne Colling sich bewusst weigert, einen Wettbewerb um den lautesten Ton zu führen, ist daher kein Zeichen von Schwäche oder mangelnder Durchsetzungskraft. Es ist eine bewusste Entscheidung gegen ein Spiel, dessen Regeln die inhaltliche Arbeit systematisch benachteiligen. In einem Umfeld, das Eskalation belohnt, ist Zurückhaltung kein Defizit, sondern Haltung.
Die eigentliche Frage lautet daher nicht, ob Politik lauter werden muss, um gehört zu werden. Die Frage ist, warum wir ein politisches und mediales Umfeld akzeptiert haben, in dem Lautstärke wichtiger geworden ist als Argumente. Eine Demokratie, die nur noch auf Krach reagiert, riskiert, genau jene Stimmen zu überhören, die versuchen, Probleme tatsächlich zu lösen.
Vielleicht liegt das Problem also weniger bei der Politik als bei den Bühnen, auf denen wir sie stattfinden lassen.