Die steigenden Bodenpreise in der Wallonie und der wachsende Einfluss externer Investoren sind mehr als ein ökonomisches Problem. Es geht um die schleichende Entfremdung der Landwirtschaft von ihren Akteuren und um den Verlust von Ernährungssouveränität und Biodiversität.

Steigende Bodenpreise, schwindende Agrarflächen und die Frage der Ernährungssouveränität

Die von mir sehr geschätzte Abgeordnete Fabienne Colling von Ecolo hat im Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft eine Debatte angestossen, die weit über das Thema Bodenpreise hinausgeht. Es geht um etwas Grundsätzliches. Wir erleben eine schleichende Entfremdung der Landwirtschaft von ihren ursprünglichen Akteuren. Nicht die Bäuerinnen und Bauern bestimmen zunehmend über das Land, das sie bewirtschaften, sondern externe Investoren, Unternehmen ohne Verbindung zur Landwirtschaft und Käufer, die Agrarflächen als Wertanlage betrachten. Mit jedem verlorenen Hektar verliert die Wallonie ein Stück ihrer Ernährungssouveränität.

Dieser Prozess ist nicht theoretisch. Er verändert, wie wir mit Land umgehen, wie wir Lebensmittel erzeugen und wie widerstandsfähig unsere Region in Krisenzeiten bleibt. Wird Boden zum Spekulationsobjekt, verliert er seine Bedeutung als Grundlage unserer Versorgung, als sozialer Raum und als ökologisches Rückgrat.

Auch die Natur zahlt den Preis. Unter nicht landwirtschaftlichen Nutzungen leidet die Biodiversität. Natagora warnt seit Jahren, dass die Wallonie, besonders südlich des Sambre- und Maastals, einer der letzten Rückzugsräume für zahlreiche bedrohte Arten ist. Dieser Raum existiert, weil dort eine naturverträgliche Landwirtschaft überlebt hat. Wenn diese Flächen verschwinden, verschwindet auch die Grundlage für dieses Gleichgewicht. Es ist ein langsamer Rückgang, kaum sichtbar im Alltag, aber in seiner Wirkung tiefgreifend.

Hinzu kommt eine Entwicklung, die oft übersehen wird. Durch den Klimawandel verschieben sich Klima- und Vegetationszonen in Europa. Teile Südeuropas trocknen aus, und Agrarflächen wandern schrittweise nach Westen und Norden. Was heute unter Druck steht, wird morgen zum unverzichtbaren Produktionsraum. Der Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen in unserer Region ist daher doppelt problematisch.

Vor diesem Hintergrund war es nur folgerichtig, dass Fabienne nach klaren Daten, nach Instrumenten zur Sicherung der Ernährungssouveränität und nach den konkreten Maßnahmen des neuen Raumordnungsdekrets gefragt hat. Sie stellte die Frage, die gestellt werden musste. Was tut die DG, um ihr Land, ihre Landwirtschaft und ihre ökologische Stabilität zu schützen.

Die Antworten der Regierung machte eines deutlich. Die Handlungsmöglichkeiten der DG sind begrenzt, denn Landwirtschaftspolitik und Landpachtgesetz liegen in der Verantwortung der Wallonie. Dennoch braucht es einen klaren politischen Willen, gemeinsame Strategien mit Gemeinden, Landwirten und Umweltverbänden und die Bereitschaft, die wenigen vorhandenen Hebel konsequent zu nutzen.

Denn am Ende geht es um weit mehr als Boden. Es geht um Versorgungssicherheit, um Landschaftspflege, um den Schutz unserer Ökosysteme und um die Frage, wem die Grundlage unseres Zusammenlebens eigentlich gehört. Boden ist keine beliebige Ware, die man wie Aktien oder Immobilienpakete handeln kann. Wenn Agrarflächen zu Spekulationsobjekten werden, verschiebt sich das gesamte Gleichgewicht unseres Ernährungssystems. Dann bestimmen nicht mehr die Menschen, die das Land pflegen, sondern jene, die Kapital daraus ziehen wollen. Genau das erleben wir derzeit, leise, aber unübersehbar.

Deshalb braucht es eine offene und zwingend notwendige Diskussion darüber, welche Rolle Agrarland in unserer Gesellschaft spielt. Darf es überhaupt den gleichen Marktmechanismen folgen wie jede andere Investition. Welche Folgen hat es, wenn die Preise sich in Höhen bewegen, die junge Landwirtinnen und Landwirte niemals bezahlen können. Was bedeutet es für die regionale Versorgung, wenn immer mehr Flächen in den Händen externer Investoren landen, die keinerlei Bezug zu Landwirtschaft oder Biodiversität haben. Und wie schützen wir jene Betriebe, die das Rückgrat einer nachhaltigen und resilienten Lebensmittelproduktion bilden.

Agrarland ist ein strategisches Gut. Es entscheidet darüber, ob Regionen in Krisenzeiten unabhängig bleiben, ob sie gesunde Böden erhalten, ob sie Lebensräume für bedrohte Arten sichern können und ob bäuerliche Strukturen überhaupt eine Zukunft haben. Eine Politik, die diese Realität ignoriert, riskiert langfristig mehr als steigende Preise. Sie riskiert den Verlust von Ernährungssouveränität, ökologischer Stabilität und kultureller Identität.

Genau deshalb gehört dieses Thema in den Mittelpunkt politischer Debatten. Nicht als Randnotiz, nicht als technisches Detail, sondern als Kernfrage regionaler Zukunftsfähigkeit. Agrarland darf nicht zum Spekulationsobjekt werden. Wenn wir das zulassen, verlieren wir weit mehr als Hektar. Wir verlieren die Kontrolle über das, was uns als Gesellschaft zusammenhält.