Ein Wirtschaftsverband, der sich gerne als moralische Instanz inszeniert, öffnet plötzlich die Türen für eine Partei, die Europa und Deutschland politisch spalten möchte. Die AfD vertritt Positionen, die den strategischen Interessen Russlands entgegenkommen, und ausgerechnet einflussreiche Unternehmer zeigen Gesprächsbereitschaft. Dieser schleichende Dammbruch ist politisch gefährlich und gesellschaftlich verantwortungslos. Ein Kommentar über wirtschaftliche Macht, politische Skrupellosigkeit und historische Blindheit

Der Verband der Familienunternehmer und ihre neue Nähe zur AfD

Es gibt diese Momente, in denen man sich fragt, wie viel Geschichtsvergessenheit ein Land eigentlich aushalten kann. Der Verband der Familienunternehmer hat beschlossen, sein bisheriges "Kontaktverbot" gegenüber der AfD abzulegen, und lädt nun Vertreter einer Partei ein, deren Positionen seit Jahren perfekt in die geopolitischen Strategien des Kreml passen. Man muss kein Experte für internationale Politik sein, um zu erkennen, wie verantwortungslos dieser Schritt ist.

Der Verband, der sich gerne als Stimme der Mitte inszeniert, weiss sehr genau, welche Signale er setzt. Es ist keine spontane Eingebung, keine naive Offenheit, sondern ein strategischer Akt der Machtpolitik. Man möchte dabei sein, falls die AfD noch weiter wächst, man möchte nicht auf der falschen Seite stehen, man möchte Optionen offenhalten. In der Sprache der Lobbyverbände nennt man das pragmatisch, für den Rest der demokratischen Gesellschaft sieht es aus wie ein Verrat an den Grundwerten, die dieses Land nach 1945 mühsam wieder aufgebaut hat.

Man soll sich hier nichts vormachen. Hinter dem freundlich klingenden Begriff Familienunternehmer verbergen sich nicht kleine Bäckereien oder Tischlereien, sondern milliardenschwere Unternehmensdynastien, deren wirtschaftlicher Einfluss enorm ist und deren Vergangenheit oft dunkler war, als sie es heute zugeben möchten. Viele dieser Unternehmen hatten in der Geschichte keinerlei Berührungsängste gegenüber autoritären Regimen, ganz im Gegenteil. Wer die Archive kennt, weiss, dass wirtschaftliche Macht in Deutschland schon mehrfach mit politischen Kräften kooperiert hat, denen an Freiheit, Gleichheit und Menschenrechten wenig gelegen war.

Und genau deshalb sollte man heute doppelt aufmerksam sein, wenn einflussreiche Verbände plötzlich Gesprächsangebote an eine Partei richten, die demokratische Institutionen angreift, Minderheiten instrumentalisiert, wissenschaftliche Fakten leugnet und europäische Einigkeit systematisch untergräbt. Die AfD ist keine harmlose Protestpartei. Sie ist ein politisches Projekt, das konsequent jene Spaltungen verstärkt, von denen Russland profitiert. Das ist kein Geheimnis, sondern bestens dokumentiert, international analysiert und von Sicherheitsbehörden vielfach bestätigt.

Wenn nun wirtschaftlich mächtige Kreise diese Partei aufwerten, indem sie ihr Zugang, Bühne und Normalität geben, dann spielen sie mit dem Feuer. Wer glaubt, man könne Anti demokraten durch Nähe entzaubern, sollte dringend in die Geschichte schauen. Noch nie hat wirtschaftliche Annäherung an extremistische Kräfte zu mehr Demokratie geführt, aber sehr oft zu genau dem Gegenteil.

Es ist ein Muster, das sich durchzieht. Die einen sprechen von Dialog, die anderen von politischem Realismus, doch in Wahrheit geht es um Einfluss, um Steuern, um Regulierung, um Vermögen, um Macht. Die AfD verspricht eine Politik, die große Vermögensbesitzer entlastet, soziale Sicherungssysteme schwächt und demokratische Kontrolle zurückdrängt. Dass reiche und mächtige Wirtschaftsdynastien das attraktiv finden, überrascht niemanden, der sich mit den Interessen dieser Gruppen auskennt.

Doch die Verantwortung ist enorm. Wer heute im wirtschaftlichen Machtzentrum sitzt, trägt eine besondere Pflicht gegenüber dem demokratischen System, von dem dieser Wohlstand erst möglich wurde. Wer diese Pflicht ignoriert, riskiert nicht nur die eigene Glaubwürdigkeit, sondern auch den sozialen Zusammenhalt, der in einer Zeit politischer Unsicherheit ohnehin unter Druck steht.

Der Verband der Familienunternehmer hat eine Entscheidung getroffen, die weit über Lobbyarbeit hinausgeht. Er hat sich eine Tür geöffnet, die nie geöffnet werden sollte. Die Normalisierung einer Partei, die demokratische Grundlagen in Frage stellt, ist keine Nebensache, sondern ein Angriff auf die politische Stabilität dieses Landes.

Es wäre an der Zeit, dass diejenigen, die wirtschaftliche Macht besitzen, sich daran erinnern, wovon diese Macht abhängt. Nicht von populistischen Parolen, nicht von autoritären Verlockungen, sondern von einem funktionierenden Rechtsstaat, einer freien Gesellschaft und einer Demokratie, die nicht nur dann verteidigt wird, wenn sie steuerlich vorteilhaft ist.