Belgien hat ein neues Budget beschlossen, doch der politische Kraftakt wirkt eher wie eine Stabilisierung auf Zeit als wie echte Reformpolitik. Die Regierung präsentiert einen 9,2-Milliarden-Kompromiss, der viele Belastungen neu arrangiert, aber wenig strukturelle Modernisierung bietet. Das Land gewinnt Ruhe, aber keine Richtung.

Wie eine Regierung sich stabilisiert, ohne ihre Probleme zu lösen

Die belgische Bundesregierung hat es wieder einmal geschafft, eine politische Krise nicht zu lösen, sondern zu überstehen. Nach einem Wochenende, das eher an ein geschlossenes Seminar zur Konfliktmediation erinnerte als an Haushaltsverhandlungen, verkündete Premier Bart De Wever am frühen Montagmorgen stolz das neue Budgetabkommen. Die wichtigsten Regierungsmitglieder hatten sich in seinem Amtssitz eingeschlossen, um zu verhindern, dass jemand entkommt, bevor ein Kompromiss gefunden ist. Am Ende standen 9,2 Milliarden Euro auf dem Papier, eingerahmt von dem Gefühl, dass hier weniger ein Finanzplan entstanden ist als die Wiederherstellung der politischen Betriebsfähigkeit.

Schon der Ablauf sagt viel über den Zustand des Landes. Die Verhandlungen waren festgefahren, bis am Sonntagabend eine überarbeitete Notiz zur Mehrwertsteuer auf den Tisch kam, die offenbar Wunder wirkte. Niemand änderte seine grundsätzliche Haltung, aber eine Formulierung wurde angepasst, und plötzlich konnte man weiterreden. In Belgien reicht manchmal eine neue Fußnote, um eine Regierung zu retten.

Der Premier erklärte anschließend, man habe schwierige Entscheidungen getroffen und Verantwortung übernommen. In der belgischen Politik bedeutet das meistens, Maßnahmen so lange zu verschieben, zu glätten oder anders zu benennen, bis alle gerade noch damit leben können. Doch selbst wenn man weiß, wie diese Mechanik funktioniert, ist es bemerkenswert, wie viel Energie nötig ist, um einen Haushalt zu produzieren, der vor allem die Frage umgeht, wohin dieses Land langfristig steuern soll.

Das Herzstück des Abkommens ist eine Reihe von Steuer- und Abgabenänderungen. Die Akzisen auf Erdgas steigen, die Akzisen auf Strom sinken. Das klingt nach energiewirtschaftlichem Weitblick, ist aber eine Realität, die viele Haushalte nicht ändern können. Wer in einem schlecht isolierten Gebäude lebt, hat wenig Wahl. Er trifft hier weniger eine ökologisch motivierte Entscheidung als eine finanzielle Notwendigkeit.

Die Mehrwertsteuer steigt künftig auf Hotel- und Campingübernachtungen, auf Sportabonnements, auf Take-away-Gerichte und auf eine Auswahl von Pestiziden. Es ist eine Liste, die wirkt, als hätte man sie aus einem Lostopf gezogen. Gleichzeitig sinkt die Mehrwertsteuer auf alkoholfreie Getränke. Es ist dieser belgische Pragmatismus, der gleichzeitig versucht, niemanden zu verärgern und jeden irgendwie einzubinden, während er am Ende alle ein wenig mehr kostet.

Die neue Abgabe von zwei Euro auf Pakete aus Nicht-EU-Ländern wirkt wie ein Versuch, das Gleichgewicht zwischen symbolischer Wirtschaftspolitik und tatsächlicher Wirkung zu finden. Sie wird den globalen Onlinehandel nicht ins Wanken bringen, aber sie erlaubt es der Regierung zu sagen, dass man etwas getan hat. Die Verdopplung der Steuer auf Wertpapierkonten und die höhere Besteuerung von Managementstrukturen gehen in eine ähnliche Richtung. Sie sind sinnvoll, aber zu vorsichtig, um von echten strukturellen Reformen zu sprechen.

Besonders auffällig ist der Plan, bis 2029 rund hunderttausend Langzeiterkrankte wieder in Arbeit zu bringen. Offiziell lautet die Begründung, dass man Menschen eine neue Perspektive geben möchte. Praktisch spart der Staat damit zwei Milliarden Euro. Dies wäre beeindruckend, wenn es realistisch wäre. Doch viele Menschen in dieser Gruppe leiden an komplexen gesundheitlichen und sozialen Problemen, die sich nicht durch schlichte politische Zielvorgaben lösen lassen. Optimistisch ist dieses Vorhaben, großzügig formuliert.

Ein weiterer Kernpunkt ist die vorgezogene Steuerreform. Ab 2026 soll der Mindestlohn so erhöht werden, dass Brutto gleich Netto ist. Das klingt nach einer starken Entlastung, ist aber ein Umverteilungseffekt, der an anderer Stelle kompensiert werden muss. Die restlichen Elemente treten 2028 in Kraft, ein Jahr früher als geplant. Das wird als Erfolg präsentiert, ist aber letztlich eine Terminverschiebung, die das grundlegende Problem nicht adressiert: Belgien hat eines der komplexesten Steuersysteme Europas, und eine echte Vereinfachung steht weiterhin aus.

Die automatische Lohnindexierung bleibt bestehen, ein heiliger Gral der belgischen Sozialpolitik. Allerdings wird sie 2026 und 2028 für Gehaltsanteile über 4.000 Euro brutto eingefroren. Betroffen ist damit vor allem die arbeitende Mitte. Gleichzeitig wurde beschlossen, dass Abgeordnete und Minister während der gesamten Legislatur keine Indexanpassung erhalten. Es ist ein symbolischer Schritt, der Vertrauen schaffen soll, finanziell aber kaum relevant ist.

Was bleibt, ist ein Abkommen, das Stabilität schafft, ohne die Richtung zu ändern. Die Regierung gewinnt Zeit, aber keine Vision. Sie verhindert, dass die politische Maschine stehen bleibt, aber sie sagt nicht, wie das Land in den nächsten Jahren erneuert werden soll. Belgien zeigt damit einmal mehr, dass es hervorragend darin ist, große Krisen abzuwenden, jedoch deutlich schlechter darin, echte Reformen einzuleiten.

Dieses Budget erfüllt seinen Zweck. Es hält die Koalition zusammen, vermeidet eine Eskalation und gibt dem Land eine gewisse Beruhigung. Aber wer langfristige Modernisierung sucht, wird sie hier nicht finden. Belgien hat eine Haushaltslücke geschlossen, aber die größere Frage, wie der Staat zukunftsfähig werden soll, bleibt offen. Man könnte sagen: Belgien hat das Schlimmste verhindert, aber das Beste wieder einmal verpasst.