Abschotten statt aufnehmen – Der neue Kurs der CDU/CSU-SPD-Regierung

Kaum im Amt, zeigt die neue Bundesregierung unter CDU/CSU und SPD, wohin die Reise geht: Abschiebungen sollen nicht mehr Ausnahme, sondern Regel sein. Was als „Rückführungsoffensive“ verkauft wird, ist in Wahrheit eine populistische Nebelkerze – und ein massiver Rückschritt in Sachen Humanität, Rechtsstaat und Verantwortung.

Der neue Innenminister Alexander Dobrindt kündigte unmittelbar nach Amtsantritt an, dass die Zahl der Abschiebungen „deutlich steigen“ müsse. Im selben Atemzug forderte er die Ausweitung der Abschiebehaft, die Möglichkeit zu mehrmonatiger Inhaftierung bei sogenannter „Fluchtgefahr durch Verhalten“ und eine „Verdichtung der Grenzkontrollen“. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach zwar beschwichtigend von „notwendiger Ordnung“, ließ aber keinen Widerspruch zum Kurs erkennen. Statt einer sozial ausgewogenen Migrationspolitik sehen wir ein Bündnis, das sich ein populistisches Law-and-Order-Narrativ zu eigen macht, um vermeintliche Handlungsfähigkeit zu demonstrieren.

Die Botschaft ist eindeutig: Wer kein Bleiberecht hat, soll möglichst schnell, sichtbar und lautstark abgeschoben werden – auch wenn das bedeutet, dass Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben, zur Zielscheibe werden. Ein Beispiel: In Nürnberg wurde im April eine Mutter mit zwei schulpflichtigen Kindern nachts von der Polizei abgeholt. Obwohl sie seit acht Jahren in Deutschland lebte, die Kinder deutsch sprachen und keinerlei Straftaten begangen worden waren. Der einzige „Fehler“: Ihr Asylantrag war abgelehnt worden – aus formalen Gründen. Das ist keine Einzelfallpraxis mehr, sondern symptomatisch für den neuen Kurs.

Dabei ignoriert die Regierung systematisch die Realität: Abschiebungen scheitern oft nicht an mangelndem Willen, sondern an praktischen und humanitären Gründen – fehlende Papiere, ungeklärte Identitäten, Kriegsgebiete, Krankheit oder das Fehlen funktionierender Rücknahmeabkommen. Statt diese Hindernisse differenziert zu benennen, wird der öffentliche Eindruck vermittelt: Die Geflüchteten sind selbst schuld, wenn sie noch da sind.

Statt Integration zu fördern, wird ein Klima der Angst geschaffen. Statt Bleibeperspektiven zu entwickeln, wird signalisiert: „Ihr seid nicht willkommen.“ Das ist nicht nur unmenschlich – es ist auch politisch kurzsichtig. Denn eine nachhaltige Migrationspolitik braucht mehr als Symbolhandlungen für die Schlagzeilen von BILD und Welt.

Und während der Koalitionsvertrag noch von „verantwortungsvoller Migrationspolitik“ spricht, erleben wir nun eine politische Kehrtwende, die auch dem gesellschaftlichen Zusammenhalt schadet. Abschottung ersetzt keine Politik. Abschiebung ersetzt keine Integrationsstrategie. Und ein Polizeieinsatz ersetzt kein faires Asylverfahren.

Wer Abschiebung zur Hauptsache macht, verliert die Menschlichkeit aus dem Blick – und am Ende auch den Kompass.

Abschiebung als Symbolpolitik

Alexander Dobrindt, frisch ernannter Bundesinnenminister, setzt auf maximalen Kontrast zur Migrationspolitik der letzten Jahre: Grenzkontrollen sollen ausgebaut, Abschiebungen beschleunigt, neue Abschiebehaftzentren geschaffen werden. Schon die Wortwahl seiner ersten Pressekonferenz sprach Bände: Von "Durchsetzung des Rechtsstaats" war die Rede, von „Wiederherstellung der Ordnung“. Es klang wie Wahlkampf – nicht wie Regierungsverantwortung.

Anstatt Fluchtursachen in Afrika oder dem Nahen Osten zu adressieren, richtet sich die neue Regierung gegen die Symptome: Menschen, die Schutz suchen. Dabei wissen alle Beteiligten, wie komplex Rückführungen sind – und wie oft sie scheitern. Aber es geht nicht um Lösungen. Es geht um Bilder. Um Härte. Um Macht.

Das neue „Rückführungsverbesserungsgesetz“ ist der rechtspolitische Rahmen dieser Inszenierung. Es erlaubt Abschiebehaft schon bei „Fluchtgefahr durch Verhalten“ – eine absurde Formulierung, die in der Praxis Tür und Tor für Willkür öffnet. Wer einen Behördentermin versäumt oder keine gültigen Papiere vorweisen kann, läuft Gefahr, inhaftiert zu werden – selbst ohne jegliche Straftat. So sieht Symbolpolitik auf dem Rücken der Schwächsten aus.

Ein Kurs gegen die Schwächsten

Während Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Teile der Zivilgesellschaft versuchen, Schutzsuchenden einen menschenwürdigen Start zu ermöglichen, dreht die Bundesregierung das Rad zurück.

Statt sichere Zugänge zu schaffen, werden bürokratische Hürden erhöht. Statt faire Verfahren zu garantieren, werden Geflüchtete unter Generalverdacht gestellt. Statt Integration zu fördern, wird mit Polizeipräsenz abgeschreckt.

Besonders perfide sind die nächtlichen Abschiebungen – oft unter Beteiligung schwer bewaffneter Beamter. Kinder werden aus dem Schlaf gerissen, Schultaschen bleiben zurück. Für die Öffentlichkeit meist unsichtbar, für die Betroffenen ein lebensveränderndes Trauma. Ist das die "Durchsetzung des Rechtsstaats", von der Dobrindt spricht?

Dieser Kurs richtet sich nicht gegen Kriminelle oder Gefährder, sondern gegen Familien, Auszubildende, Nachbar*innen. Gegen Menschen, die längst Teil der Gesellschaft sind – aber eben keinen deutschen Pass haben.

Sozialdemokratischer Beifall für rechte Forderungen

Dass die SPD diesen Kurs nicht nur stillschweigend hinnimmt, sondern aktiv mitgestaltet, ist der eigentliche politische Skandal.

Die Partei, die einst Willy Brandts „mehr Demokratie wagen“ predigte, klatscht nun Beifall für Grenzschließung, Pushbacks und Massenabschiebung. Fraktionssprecher reden von „Funktionsfähigkeit des Systems“ – und klingen dabei wie CSU-Innenpolitiker im Endstadium.

Das "S" in SPD, das für soziale Gerechtigkeit stehen sollte, droht zum Symbol für Sanktion, Selektion und Schubhaft zu verkommen. Wo bleiben die Stimmen der Vernunft in der Partei? Wo die humanitären Gegenstimmen aus den Ländern? Oder ist die neue Linie bereits zur Ideologie geworden?

Abschiebung ersetzt keine Verantwortung

Flucht ist kein Verbrechen. Schutz ist kein Gnadenakt. Und Abschiebung ist keine Lösung, sondern ein letztes Mittel – dann, wenn alle rechtsstaatlichen Optionen ausgeschöpft sind. Aber genau diese Differenzierung fällt dem neuen Kurs zum Opfer.

Statt globale Verantwortung zu übernehmen, setzt Deutschland auf nationale Abschottung. Statt humanitäre Hilfe zu leisten, werden Menschenrechte quantifiziert und verwaltet. Das ist nicht nur ein moralischer Bankrott – es ist ein Rückfall in Denkweisen, von denen wir dachten, sie seien überwunden.

Wer mit Abschiebungen Wahlkampf macht, untergräbt das Vertrauen in die Demokratie. Und wer Menschen zu Problemen erklärt, wird irgendwann auch Lösungen aufgeben.

Fazit

Deutschland braucht eine Migrationspolitik, die realistisch, gerecht und menschlich ist. Doch was wir derzeit erleben, ist das Gegenteil: Eine Bundesregierung, die sich mit populistischer Geste an autoritären Reflexen bedient. Eine Union, die Grundrechte als Verwaltungsproblem betrachtet. Eine SPD, die ihre moralische Substanz opfert, um mitregieren zu dürfen.

Wer Menschen zu Zahlen macht, macht Politik auf Kosten der Menschlichkeit.

Und genau dagegen müssen wir jetzt aufstehen – laut, klar und unnachgiebig.


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