Was gerade bei der Linksfraktion passiert
Während sich die anderen Fraktionen nach der Bundestagswahl 2025 mit routinierter Selbstverständlichkeit sortieren, läuft bei der Linken alles ein bisschen anders – wie so oft.
Als einzige Fraktion ist die Linksfraktion bislang nur kommissarisch geführt: Heidi Reichinnek und Sören Pellmann, die schon während der Zwischenzeit als Vorsitzende der kleinen parlamentarischen Gruppe dienten, führen die Geschäfte vorerst weiter. Eine formale Wahl? Steht noch aus. Und genau das ist bezeichnend.
Die Linke nach der Implosion
Die Ausgangslage ist kompliziert: Nach dem dramatischen Bruch 2023, als Sahra Wagenknecht und neun weitere Abgeordnete die Fraktion verließen und später das BSW gründeten, war nichts mehr wie vorher. Die Linke verlor damals ihren Fraktionsstatus, fiel in die Bedeutungslosigkeit zurück – und kämpfte sich 2025 gerade so wieder über die Fünfprozenthürde.
Dass sie nun wieder als Fraktion im Bundestag sitzt, ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist ein Comeback. Aber eines mit vielen offenen Fragen. Der Abgang von politisch überkommenen Figuren wie Andrej Hunko aus Aachen war dabei ein überfälliger Schritt. Wer sich lieber mit Autokraten verbrüdert als sich um soziale Gerechtigkeit zu kümmern, hat im linken Projekt ohnehin keinen Platz.
Kein Bruch, kein Aufbruch (noch nicht)
Die kommissarische Doppelspitze ist ein pragmatischer Kompromiss: Man wollte schnell arbeitsfähig sein – aber sich Zeit nehmen, um interne Wunden zu heilen und neue Mehrheiten zu organisieren. Denn: Die Flügelkämpfe sind nicht vorbei. Und der Verlust von "Zarenknecht" war zwar eine Klärung, aber keine Lösung. Die Linke ist immer noch eine Partei auf der Suche nach Richtung, Relevanz – und einem gemeinsamen Ton.
Wer könnte übernehmen?
Ein Weiter-so mit Reichinnek und Pellmann? Möglich. Beide kennen die Fraktion gut, haben Erfahrung, verkörpern unterschiedliche Milieus: westdeutsch-feministisch und ostdeutsch-gewerkschaftlich. Besonders Heidi Reichinnek hat sich mit klarer Haltung, glaubwürdigem Auftreten und ziemlich coolem unprätentiösem Stil ein bemerkenswertes Standing erarbeitet.
Sie ist cool, in einem politischen Umfeld, das viel zu oft nach außen nur knarzt und knirscht.
Oder kommt ein Wechsel – vielleicht mit einer Überraschungskandidatin wie Clara Bünger? Jünger, juristisch versiert, links, aber nicht dogmatisch. Das wäre ein Zeichen für Aufbruch, aber auch ein Risiko.
Was fehlt, ist die Entscheidung
Was gerade (noch) bei der Linken passiert, ist ein Balanceakt: Man will nichts überstürzen – und doch braucht es dringend Klarheit. Die parlamentarische Bühne duldet keine Unschärfen, und die Aufmerksamkeitsspanne für interne Sortierungen ist kurz.
Eine Fraktion ohne gewählte Spitze bleibt politisch auf Halbmast. Und wenn die Linke wieder Relevanz beanspruchen will, dann muss sie nicht nur reden – sondern führen. Mit klaren Köpfen. Und bald. Bis dahin gilt: kommissarisch ist besser als gar nichts – aber eben auch nicht genug.